LUCIAN FREUD: MICH INTERESSIERT DER MENSCH ALS TIER UNGEMEIN

»Mich interessiert der Mensch als Tier ungemein«, soll Lucian Freud, Enkels des Psychoanalytikers Sigmund Freud, einmal gesagt haben. Der Künstler mit dem stechenden Blick ist bekannt für seine schonungslosen Porträt- und Aktbilder. Keine Furche, keine Speckfalte, kein Hautmakel entging dem »Maler des Fleisches« in den berüchtigten schier endlosen Sitzungen in seinem Atelier.

In vielen seiner Bilder spielen auch Tiere eine gewichtige Rolle: Freud war schon zu Beginn seines Schaffensprozesses ein meisterhafter Tierzeichner. So wie er später die Haut des Menschen in jeder kleinsten Falte und Unebenheit ausmalte, zeichnete er schon früh akribisch Federn und Fell. Auch tote Tiere malte Freud – aus einer Tierhandlung erhielt er als junger Mann tote Hühner, Affen oder Kaninchen. Ein in Öl gemalter Hahnenkopf mit prächtigem Federwerk wirkt noch post mortem so majestätisch, dass der Betrachter vergisst, dass der Vogel geköpft wurde.

Freud liebte Pferde und das Reiten, sein Whippet-Jagdhund Pluto lief durchs Atelier, und in den 40er Jahren besaß Freud auch mehrere Raubvögel. Nur Katzen waren ihm eher unsympathisch.

Der Bogen seiner Tierbilder reicht vom ersten Gemälde mit panischen Pferden, das seine frühe Flucht aus Nazi-Deutschland symbolisiert, bis hin zu seinem letzten Aktbild, das seinen Assistenten David Dawson mit Hund »Eli« zeigt. Dieses Bild stand noch unvollendet auf der Staffelei, als Freud im Juli 2011 in London starb.

Tiere waren für Freud dem Menschen gleichrangig. In den Doppelporträts von Tieren und Menschen verstärken häufig Hunde bestimmte Stimmungen oder Wesenszüge des Menschen. Eines der eindrücklichsten Gemälde zeigt Freuds schwangere Frau Kitty mit leerem, müdem Blick und entblößter Brust in einem Bademantel. Der Bullterrier, den das Paar zur Hochzeit geschenkt bekommen hatte, ruht mit ähnlich traurigem Blick auf ihrem Oberschenkel. Das Bild ist voll abgründiger Symbolik – bald nach der Fertigstellung trennte sich das Paar.

Meist erscheint die Beziehung zwischen Mensch und Tier in Freuds Bildern als harmonische und friedliche Lebenspartnerschaft. Das mag aber auch daran liegen, dass seine Modelle, ob Mensch oder Tier, von den stundenlangen Sitzungen im Atelier einfach völlig ermattet waren.

Zum Thema erschien der Ausstellungskatalog »Lucien Freud und das Tier« des Museums für Gegenwartskunst in Siegen.

Eine aktuellere Publikation zum Künstler erschien 2017 in Zusammenarbeit mit der UBS Art Collection bei Hatje Cantz.

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